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Stilblüten und Hurenkinder

Weder Blumensträusse noch das älteste Gewerbe der Welt finden Sie hier. Die Sprache ist meine grosse Leidenschaft und sprachliche «Ausrutscher» sind das Salz in der «Suppe» meiner Arbeit. Zum Beispiel dieser Satz.

«Mietwagenübernahme jeweils am Samstag oder an Freiertagen

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Wertvolle Tipps

Jeden Monat ein Mail oder ein Brief

Jeden Monat bespreche ich hier ein Mail oder einen Brief – gute und auch weniger gute. Ich erkläre, weshalb etwas clever oder schlecht geschrieben ist. Oft liefere ich dazu auch noch eine alternative Formulierung. Lassen Sie sich überraschen.

Ich verwende gute und auch schlechte Beispiele. Spannend ist es immer. Alle Monatsbriefe finden Sie im Buch «Tipptoppe Korrespondenz»

Ein Weihnachtskarte von ChatGPT

ChatGPT – oder eine andere künstliche Intelligenz – ist nach wie vor das grosse Thema. Es geht schnell und der erste Eindruck ist super. Ein Kunde hat mich beauftragt, eine von ChatGPT geschriebene Weihnachtskarte zu überprüfen. Sie sollte firmenintern an die eigenen Mitarbeitenden geschickt werden und einen positiven Eindruck hinter­lassen. Lohnt es sich, eine Weihnachtskarte schreiben zu lassen?

Unterhalb von diesem Text sehen Sie die Originalversion und darunter eine Version mit von mir angebrachten Nummern.

1) Je persönlicher die Anrede desto besser. Diese Möglichkeiten sind von «super» bis «na ja» geordnet.

Liebe Andrea (handgeschrieben)

Liebe Andrea

«Liebe Mitarbeiterin

Lieber Mitarbeiter»

Liebe Mitarbeiterin und lieber Mitarbeiter

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

2) Die Kleinschreibung und die Formulierung mit «Zum» sind teutonisches Hochdeutsch, aber nicht Schweizer Hochdeutsch.

3) Niemand schreibt, dass ein Jahr nicht erfolgreich war. Deshalb ist es eine Floskel.

4) Indem Sie eine Karte schreiben, ist das «möchten» hinfällig. Bitte vermeiden Sie die Modalverben wie sollen, wollen, müssen, dürfen, können und mögen.

5) «Gelegenheit nutzen» ist eine Floskel, die seit mehr als 100 Jahren verwendet wird.

6) Seit 1998 ist die Kleinschreibung von du, dir, dein etc. Standard und seit 2001 auch an den Schulen nach dem Anpassen der Schulbücher üblich. Alle unter 25 kennen es nur kleingeschrieben.

Wenn in der Anrede «Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter» steht, kann hier nicht nur einer angesprochen werden. Dann braucht es eigentlich ein «euch». Aber: Es liest immer nur ein einziger Mensch die Karte.

7) Schon wieder eine Floskel oder haben Sie schon einmal gelesen, dass sich ein Mitarbeiter ein bisschen mehr anstrengen sollte?

8) Wenn es jedes Jahr so ist, wieso muss man das dann explizit erwähnen?

9) Es wird wohl kaum ein anderes Unternehmen gemeint sein.

10) Eine altmodische Formulierung, die völlig unnötig ist.

11) Sollen die Mitarbeitenden ins Zentrum rücken oder wird mehr Wert auf das gemeinsamen «Wir» gelegt? Für mich muss in einer Weihnachtskarte der Mitarbeitende im Zentrum stehen.

12) Die Arbeit mit einem fremden Unternehmen kann nicht gemeint sein.

13) Eine Weihnachtskarte ist immer für die Tage im gleichen Jahr bestimmt. Ein Wort wie «bevorstehend» oder «kommend» ist unnötig.

14) Ja wem denn sonst? Dem Nikolaus?

15) Das Jahr wird automatisch neu, gebrauchte Jahre gibt es nicht.

16) Sätze mit Ausrufezeichen werden laut geschrien – das ist hier fehl am Platz.

17) Im Schlussabsatz steht die Superfloskel «Wir freuen uns». Wann haben Sie sich das letzte Mal in der Mehrzahl gefreut? Bei einer Hochzeit, einer Geburt?

18) Dass alle das Gefühl haben, es brauche bei der Jahreszahl ein «in» oder noch schlimmer ein «im», kommt aus dem Englischen. Dort braucht es ein «in». «We’ll see us in 2025.» Auf Deutsch ist das falsch. Dort ist es entweder: Wir sehen uns 2025. Oder: Wir sehen uns im Jahr 2025.

Sind Sie mit mir einer Meinung? Viel kann man aus der ChatGPT-Version nicht brauchen …

Tipptopp-Beurteilung: unbrauchbar